Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Brief junger Iranerin aus Gefängnis zeigt Regime-Willkür
„Wir müssen endlich aufhören, die Augen vor den krassen Menschenrechtsverletzungen und der verkommenen, aber auch im Prinzip ungerechten Justiz im Iran zu verschließen. Unser Platz muss an der Seite der Menschen im Iran sein und nicht auf der Seite der religiösen Diktatur.“
Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Bild) gehörte zu den Mitwirkenden einer Iran-Großveranstaltung, die am ersten Juli-Wochenende in Paris ein eindrucksvolles Zeichen für die Menschenrechte und gegen Extremismus und Terror setzte. Die Veranstaltung machte auf die zunehmende Unterdrückung, die Menschenrechtsverletzungen und die Massenhinrichtungen im Iran aufmerksam und rief die Weltgemeinschaft auf, sich für Demokratie und Menschenrechte im Iran einzusetzen.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte bereits vor der Veranstaltung in einem Gastbeitrag in Focus-Online über die verheerende Menschenrechtslage im Iran berichtet. In dem Beitrag heißt es u.a.:
Die so genannten Präsidentschaftswahlen im Iran sind vorbei. Was waren das auch für Wahlen: Die gesamte Opposition war ausgeschlossen. Frauen und Minderheiten durften sowieso nicht gewählt werden. Auch sonst wurde nichts dem Zufall bzw. dem freien Wählerwillen überlassen.
Und so ist es auch keine Überraschung, dass entgegen aller Hoffnungen und schnellen Glückwünsche im Iran weder Demokratie noch Freiheit ausgebrochen sind, ganz im Gegenteil.
Atena wurde dem Regime zu unbequem – also sitzt sie im Gefängnis
In dieser Situation hat sich eine politische Gefangene namens Atena Daemi aus dem Gefängnis gemeldet und spricht eine klare, offene Sprache: Sie nennt die Dinge beim Namen. Sie redet von Fakten und Wahrheiten, schrecklichen Dingen und furchtbaren Wahrheiten.
Wer ist diese Atena? Eine Todesstrafengegnerin und zivilgesellschaftliche Aktivistin, die sich in der Öffentlichkeit für Frauenrechte einsetzt. Als das dem Regime zu viel wurde, nahm es die junge Frau fest und verurteilte sie zu 14 Jahren Haft. Eindeutiger Beweis der herrschenden Willkürjustiz. (Amnesty International UA-127/2015) Im Gefängnis behielt Atena ihre kritische Haltung bei.
„Der Tod ist meine letzte Grenze“
Daraufhin griff das Regime zu bewährten Druckmitteln und ließ zwei Schwestern von Atena auch festnehmen wegen angeblicher Beamtenbeleidigung. Ein Fall von Sippenhaft, wie das Regime es seit eh und je praktiziert. Doch diesmal klappte das Szenario nicht. Aus Protest gegen diese Willkürmaßnahme ging Atena in den Hungerstreik … und setzte damit eine große Protestwelle in Gang. Ihren Hungerstreik konnte Atena nach 54 Tagen abbrechen. Sie wandte sich mit einem Brief an die Öffentlichkeit und schrieb:
„Ich habe den Hungerstreik begonnen, um denen eine Stimme zu geben, die keine Stimme haben. Das Regime setzte zuerst meinen Vater unter Druck, dann meine beiden Schwestern, denen mit einer gefälschten Akte der Prozess gemacht wurde. Sie wurden inhaftiert und – selbst nach iranischem Recht völlig willkürlich verurteilt. Einziger Sinn dieser Maßnahmen war, mich zu peinigen und zum Schweigen zu bringen. Ich habe den Herren gesagt: Egal, wie lange meine Schwestern im Gefängnis sitzen müssen, einen Tag oder ein Jahr, ich protestiere scharf gegen diesen Akt der Sippenhaft und der Geiselnahme von Angehörigen einer politischen Gefangenen, die für die Freiheit kämpft. Ich werde ohne Angst weiterhin protestieren. Ich habe keine Angst vor dem Tod, denn der Tod ist meine letzte Grenze.
Atena Daemi (r.) mit ihren zwei Schwestern vor der Festnahme
Ich will die Stimme aller Menschen sein, die in diesen Jahren Opfer von Sippenhaft sind. Meine Schwestern gaben mir Antrieb und Kraft: Damit konnte ich die Stimme von Maryam (Mutter von drei Mädchen) und Reza Akbari Monfared sein, zweier Geschwister, deren vier Schwestern und Brüder vor 29 Jahren hingerichtet wurden. Jetzt sitzen Maryam und Reza im Gefängnis, weil sie Gerechtigkeit suchen. Maryam hat acht ihrer 15 Jahre Haft abgesessen, ohne einen Tag Freigang gehabt zu haben. Kürzlich wurde sie zu Sicherheitsbeamten zitiert, die ihr eine Verlängerung der Haft androhten. …
Ich will auch die Stimme von Fatemeh Mosana sein, die mit 13 Jahren zum ersten Mal aus politischen Gründen inhaftiert wurde. Drei ihrer Brüder waren hingerichtet worden. Jetzt sind sie und ihr Mann Hassan Sadeghi zu 15 Jahren Haft verurteilt worden.“ … (Atena spricht noch von weiteren Fällen, in denen Frauen und Männer willkürlich zu politischer Haft verurteilt wurden.)
Ohne Menschenrechte wird auch die Wirtschaft nicht blühen
Nach solchen Berichten klingt die Glückwunschbotschaft von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel an Präsident Rohani zu dessen „Wiederwahl“ sehr simpel und einseitig. Besonders, wenn Gabriel schreibt: „Das ist eine Hoffnung für die Wirtschaft.“
Eine florierende Wirtschaft ist auf Dauer allerdings ohne Menschenrechte nicht machbar.
Wir müssen Atenas Stimme Gehör verschaffen
Wie sollen wir uns nun verhalten. Was können wir tun, um den Menschen im Iran zu helfen. Dazu gibt uns die tapfere Atena Daemi aus dem Gefängnis eine einfache und klare Anleitung: Schweigen zu den Verbrechen des Regimes oder deren Verharmlosung werden die im Iran Herrschenden bei ihren Machenschaften nur bestärken. …
Die große Versammlung der Exiliraner aus aller Welt am 1. Juli 2017 in Villepinte bei Paris soll Atenas Stimme und den Stimmen tausender anderer Verfolgter Gehör verschaffen.
Wir müssen endlich aufhören, die Augen vor den krassen Menschenrechtsverletzungen und der verkommenen, aber auch im Prinzip ungerechten Justiz im Iran zu verschließen. Unser Platz muss an der Seite der Menschen im Iran sein und nicht auf der Seite der religiösen Diktatur.
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